Auch online in Bewegung – „Share the move digital”

Sport, Spiel und Soziales – darum ging es beim Austauschprojekt „Share the move – digital“, das am 18. und 19. November 2020 Fachkräfte aus den Bereichen Sport und Bildung zusammenbrachte. Dieses Jahr ging das Projekt unter Bedingungen des „physical distancing“ in die zweite Runde: Thema waren nicht nur aktuelle Herausforderungen in der sportlichen Bildung, sondern vor allem innovative Ideen und Projektplanungen für die Zukunft.

Dieses Jahr ist schon das Einchecken anders: Keine Anreise, kein Rollkoffer, keine Umarmungen – über einen einfach Klick gelangt man zum diesjährigen „Share the move – digital“. Und doch ist es auch hier, im virtuellen Raum, ein fröhliches Kennenlernen und Wiedersehen. Wiedersehen deshalb, weil „Share the move“ schon im vergangenen Jahr stattgefunden hat: Dieses Jahr geht das Projekt mit einem digitalen Fachkräfteaustausch in die zweite Runde, sodass sich einige der Teilnehmenden aus der Türkei und Deutschland bereits kennen.

Nichtsdestotrotz darf ein ausführliches Kennenlernen natürlich nicht fehlen. Und da es bei „Share the move“ nunmal um Bewegung geht, wird dieses Element auch direkt in ein Kennenlernspiel integriert: Jede*r stellt sich mit Namen und einer dazugehörigen Bewegung vor. Der Reihe nach werden die Bewegungen nachgeahmt, bis am Ende eine lange Kette an Namen und Gesten entsteht. Danach sind Muskeln und Gehirn aufgewärmt, sodass das Programm richtig losgehen kann.

Schließlich haben sich die Organisatorinnen viel vorgenommen: „Letztes Jahr war die Zeit zu kurz, um konkrete Projekte zu erarbeiten. Aber dieses Jahr ist es unser klares Ziel dieses Austauschs, gemeinsam Projekte zu entwickeln – am besten so weit, dass man im Anschluss einen Antrag stellen kann“, erzählt Nil Delahaye von BoMoVu (Network of Sport and Body Movement for Vulnerable Groups).  Das Projekt, das 2019 von BoMoVu und SUPR SPORTS umgesetzt wurde, wird in diesem Jahr von BoMoVu in Kooperation mit dem ABC Bildungszentrum durchgeführt. Birte Frische vom ABC Bildungszentrum Hüll, die 2019 als Teilnehmerin dabei war, bringt mit ihrer Kollegin Sophia Guttenhöfer das technische und mediale KnowHow mit, um den Austausch auch unter den Bedingungen der anhaltenden Pandemie erfolgreich zu gestalten: „Ich freue mich, dass das Projekt dieses Jahr wieder zustande gekommen ist“, sagt sie.

Vielfältige Projekte, ähnliche Herausforderungen

Bei einer weiteren ausführlichen Vorstellungsrunde geben die Teilnehmenden Einblicke in ihre Projekte und Arbeitsbereiche. Obwohl der Themenbereich Sport und sportliche Bildung schon ziemlich spezifisch klingen, könnte die Vielfalt an Projekten kaum größer sein: Da gibt es sozialen Zirkus, gendersensible Fußballmannschaften, inklusive Sportangebote für Menschen mit Behinderung, Tanzprojekte und vieles mehr. Schnell wird deutlich, dass Sport ein Tool ist, das für zahlreiche soziale Zwecke eingesetzt werden kann: Sei es für Inklusion, den Kampf für mehr Gendergerechtigkeit oder die Förderung von benachteiligten Zielgruppen.

In Kleingruppen gibt es im Anschluss die Möglichkeit, noch näher ins Gespräch zu kommen. Ein Thema, das alle derzeit beschäftigt, ist natürlich Covid-19: Wie umgehen mit physical distancing im Sport? Was sind Sorgen in Bezug auf Corona? Und gibt es auch Hoffnung? Trotz unterschiedlicher Herangehensweisen der jeweiligen Regierungen ähneln sich Alltag und Herausforderungen der Teilnehmenden in diesem Jahr auf spezielle Art und Weise und sie kommen schnell angeregt ins Gespräch über Bewältigungsstrategien, digitale Formate und die individuellen Lebenssituationen.

Doch auch neben Corona gibt es viel, worüber es sich auszutauschen gibt: Allem voran natürlich Sport. Die Teilnehmenden sprechen über ihre alltäglichen Sportroutinen und über die Frage, ob Sport die Welt verändern kann. Daran glauben sie alle: „Sport kann Menschen verbinden. Er überwindet Sprachbarrieren und bringt unterschiedliche Menschen zusammen“, findet Müberra Güney aus Herne.

Sport ist auch im digitalen Programm fest eingeplant

Dass Sport verbindet, zeigt sich auch ganz praktisch bei „Share the Move“. Da bei diesem Austausch Fachkräfte aus dem Bereich Sport zusammenkommen, ist für sie alle das Vor-dem-Bildschirm-Sitzen eher unintuitiv. Kein Wunder, dass Teilnehmer Faiz Özkan direkt nach der ersten Pause nachfragt: „Wollen wir uns nicht etwas bewegen, um wach zu bleiben?“ Und entsprechende Energizer sind natürlich eingeplant, durchgeführt von den Teilnehmenden selbst: Fırat Akman zeigt, wie man richtig jongliert – und die Teilnehmenden versuchen ihr bestes, es nachzuahmen. Sei es mit Bällen, Zwiebeln oder Sockenknäueln – jetzt ist Kreativität gefragt. Berenike Schramm vom Zirkus Cabuwazi leitet eine kleine Yogasequenz an – und sogar das Spiel Schere, Stein, Papier schafft die Gruppe auch vor dem Computer umzusetzen.

Am Ende des ersten Tages trifft sich die Gruppe  zur gemeinsamen Reflexion: Was war gut? Was kann am folgenden Tag noch verbessert werden? Gibt es spezifische Wünsche? Die Teilnehmenden wirken zufrieden, geben euphorische Rückmeldungen und schauen erwartungsvoll auf den nächsten Programmtag. Auf einem digitalen Whiteboard, auf dem alle Teilnehmenden gleichzeitig schreiben können, werden Eindrücke gesammelt: „Das Kennenlernen hat sehr viel Spaß gemacht“, „Es war schön, Ideen und Perspektiven mit Menschen aus verschiedenen Kulturen auszutauschen.“, „Morgen würde ich gerne direkt an Projekten arbeiten.“

Ran an die Arbeit: Tüfteln an gemeinsamen Projekten

Gesagt, getan: Am nächsten Tag geht es ran an die Projekte. Doch damit Kopf und Körper fit sind für die Arbeit, beginnt der zweite Tag mit einer kurzen Yogasession, die die Teilnehmerin Gülden Engin anleitet. Anschließend schalten sich Tuğba Bızık und Defne Yalman von der Jugendbrücke ein und zeigen die (finanziellen) Möglichkeiten auf, die es für Projekte mit der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke (DTJB) gibt.

Nun, da Einblicke in die Förderlandschaft und spezifisch die Möglichkeiten der Kooperation mit der DTJB gegeben wurden, wollen die Teilnehmenden in Kleingruppen zusammenkommen, um gemeinsame Projektideen zu erarbeiten. Eine netzwerkartige Übersicht soll dabei Abhilfe schaffen und Überblick über die einzelnen Teilnehmenden und ihre Interessensgebiete geben. Die Vielfalt an Themengebieten im Bereich der sportlichen Bildung wird hier noch einmal besonders deutlich: Die Zielgruppen ziehen sich von Migrant*innen bis hin zu LGBTQI*, die Spezialgebiete von Zirkus mit Kindern und Jugendlichen bis zu Medienprojekten, die Diversität im Sport mehr sichtbar machen wollen.

Nach einiger Zeit haben sich Gruppen zusammengetan, die nun in sogenannten Breakout-Rooms jeweils gemeinsam mit einem*einer Übersetzer*in die Köpfe zusammenstecken und Ideen ausfeilen. Viele Fragen gibt es zu klären: Wer kann sich wie einbringen? Wer soll die Zielgruppe sein? Wie lang soll das Projekt gehen? Und selbstverständlich auch aufgrund von Covid-19: Kann das wohl in Präsenz stattfinden oder ist ein digitales Format notwendig?

Neue Chancen mit digitalen Methoden

Dass auch Austausch im digitalen Raum Menschen einander näher bringt, betont eine der Kleingruppen, die einen Online-Jugendaustausch plant. Jugendliche aus Çanakkale, Rize und Buxtehude sollen sich und ihre Städte auf diese Art näher kennenlernen und sich über das austauschen, was sie bewegt: Sei es ihr Alltag, ihre sportliche Aktivität oder Kultur und Essen. Auch eine andere Gruppe fokussiert sich darauf, Medien und Digitales in ein Austauschprogramm einzubetten: Sie planen Videobotschaften zwischen einer Jugendfußballmannschaft in der Türkei und einer in Deutschland, in denen sich die Jugendlichen Einblicke in ihre Leben geben und gegenseitig Fragen stellen und beantworten können. Und als krönender Abschluss: Eine reale Begegnung auf dem Fußballplatz – einmal in Hamburg und einmal in Istanbul. Da Sportarten wie Fußball noch immer sehr männerdominiert sind, setzt sich eine weitere Gruppe für ein Projekt ein, das Frauen und LGBTQI* im Sport fördert: Ein LGBTQI*-Sport-Camp mit zahlreichen gemeinsamen Aktivitäten, die in einem geschützten Rahmen stattfinden und gegenseitigen Austausch und Empowerment ermöglichen sollen.

Ein Blick in die Umgebungen und ein Blick in die Zukunft

Nach intensivem Gespräch über die Projektideen rauchen die Köpfe der Teilnehmenden und es wird Zeit für etwas Frischluft. Mit ihren Mobiltelefonen bewaffnet treten die Teilnehmer*innen vor die Haustür, gehen spazieren und zeigen einander die jeweilige Umgebung. Es entsteht eine bunte Collage aus Impressionen aus Hamburg, Istanbul, Kayseri, Diyarbakır, Jena, Berlin, Maastricht und vielen anderen Städten. „Erst jetzt ist einem so richtig klar geworden, an wie vielen so unterschiedlichen Orten wir eigentlich sind.“, stellt Sophia Guttenhöfer heraus. Die Aufnahmen von fernen Orten wecken auch Erinnerungen an alte und Visionen für neue Austausche: Berenike Schramm erinnert sich bei den Bildern aus Mardin an ihr Volontariat dort beim Verein „Her Yerde Sanat“, der nun auch bei „Share the move“ vertreten ist. Und Anna Bundt hofft, dass sie Izmir im März selbst mit eigenen Augen erleben kann, wenn sie dort ein Auslandssemester macht. Tümer Gülümserler, der vor Ort im Verein „Karşıyaka One Team“ aktiv ist, ist optimistisch: „Wir erwarten dich hier“, sagt er.

Zurück in den vielen verschiedenen Home-Offices kommen die Teilnehmenden zu einer letzten Abschlussrunde zusammen: Noch einmal reflektieren, wie es war – und die folgenden Schritte für die Projekte planen. Schließlich sollen sie nicht untergehen, sondern gemeinsam realisiert werden. Das Organisationsteam ist sehr zufrieden mit dem Austausch: „Ich freue mich, dass so viele konkrete Projektideen entstanden sind. Das haben wir natürlich gehofft, aber wirklich voraussetzen kann man das nicht.“, sagt Birte Frische. Und auch die Teilnehmenden sind erfüllt von Programm und Begegnungen und tüfteln direkt daran, wie das Erarbeitete nachhaltig sein und man weiter in Kontakt bleiben kann. „Lasst uns doch in sechs Monaten noch einmal zusammenkommen, um uns über den aktuellen Stand der Projekte auszutauschen und zu schauen, wo wer noch Hilfe gebrauchen kann“, schlägt Ata Anat vor. Die Anderen stimmen angeregt zu, Kontaktdaten werden ausgetauscht und die ersten Projektanträge scheinen schon in den Startlöchern zu stehen. Die Hoffnung bleibt, dass man sich im Rahmen von längerfristigen Kooperationen bald auch in Präsenz sehen kann – ob in Deutschland oder der Türkei, Hauptsache in Bewegung, denn Sport kann schließlich die Welt verändern.

Das Projekt ist Teil der Projektreihe „Exploring New Spaces – Widened Perspectives for German-Turkish Youth Exchange“ der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke.
Die Projektreihe wurde aus Mitteln des Auswärtigen Amtes finanziert.

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