İMECE 2022 – Kommt wieder zusammen!

İmece ist ein türkischer Begriff, der Zusammenarbeit und Schaffung von etwas Gemeinsamen in Dorfgemeinschaften beschreibt. An diese Tradition anknüpfend kommen in Imece.Labs Fachkräfte der Jugendarbeit aus Deutschland und der Türkei zusammen und entwickeln gemeinsam Maßnahmen zur Unterstützung des deutsch-türkischen Jugendaustauschs.

İMECE.Labs werden alle zwei Jahre von der Türkiye Ulusal Ajansı und JUGEND für Europa (Nationale Agenturen der EU-Jugendprogramme Erasmus+ und Europäisches Solidaritätskorps), IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland und der Jugendbrücke organisiert. Sie finden abwechseln in der Türkei und Deutschland statt.

Die dreiteilige Veranstaltungsreihe İMECE 2022 bestand aus den digitalen Workshops „Wohlbefinden und psychische Gesundheit junger Menschen“  und „I am not racist, but… Jugendarbeit in Deutschland und der Türkei diversitätsorientiert und rassismuskritisch gestalten“ sowie einer mehrtägigen Abschlussveranstaltung in Antalya.

İMECE Antalya 2022: Jede Begegnung bringt etwas Neues

Come together again!: Unter diesem Slogan kamen vom 16. bis 20. Mai Fachkräfte der Jugend- und Kulturarbeit aus Deutschland und der Türkei zur Abschlussveranstaltung der diesjährigen IMECE-Reihe in Antalya, Türkei zusammen. Im Mittelpunkt von IMECE Antalya standen die Themen psychische Gesundheit, Nachhaltigkeit, Jugendbeteiligung und Inklusion & Diversität.

Die Vernetzungsveranstaltung findet alle zwei Jahre statt und wird von der Türkiye Ulusal Ajansı und JUGEND für Europa (Nationale Agenturen der EU-Jugendprogramme Erasmus+ und Europäisches Solidaritätskorps), IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland und der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke organisiert. 2022 konnte nun endlich wieder eine Präsenzveranstaltung stattfinden.

Die Freude über die Möglichkeit, sich endlich wieder persönlich zu treffen, war deutlich zu spüren. Auch die Vertreterinnen und Vertreter der vier Partnerorganisationen betonten diese Freude in ihren offiziellen Begrüßungsworten am 17. Mai und luden die Teilnehmenden daher gleich zu Beginn dazu ein, jede Möglichkeit zu nutzen, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Und so war das Eis auch bald gebrochen zwischen den rund 50 Fachkräften, die teilweise schon sehr lange im deutsch-türkischen Austausch unterwegs sind oder auf der Suche nach einer Partnereinrichtung im jeweils anderen, aber auch im eigenen Land waren. „Aus einer Masse wurde schnell eine Gruppe“, wie es eine Teilnehmerin ausdrückte.

Schwerpunktthema Psychische Gesundheit

Merve Kan (M.A. in Clinical Psychology) eröffnete die Nachmittagssession am 17. Mai mit einem Input zu psychischer Gesundheit und dem Wohlbefinden junger Menschen, ein Thema, das auch in der türkischen Gesellschaft nicht unbekannt, aber oft in Teilen noch immer tabuisiert wird. Bereits im ersten Teil der IMECE-Reihe 2022 stand es im Vordergrund und der Wunsch nach Vertiefung der Thematik wurde laut. Hier knüpfte Frau Kan mit ihrem Vortrag an.

Mit ihrer umfangreichen Expertise im Bereich der psychischen Gesundheit und psychosozialen Unterstützung, insbesondere in humanitären Kontexten in der Türkei, im Irak und in Nepal, war Frau Kan sehr daran gelegen, den theoretischen Einblick in das Thema Psychische Gesundheit eng mit den praktischen Bezügen für die anwesenden Fachkräfte zu verbinden. Und so wurden aus den angesetzten anderthalb knapp 2,5 Stunden intensiven Austauschs zu der Thematik. Die Diskussion machte deutlich, wie sehr auch die Corona-Pandemie dazu beigetragen hat, dass das Thema ‚Psychische Gesundheit‘ Eingang in den Alltag gefunden hat und mit einer gewissen Normalität über das Thema gesprochen wird. Immer wieder erinnerte Kan die Anwesenden daran, sich ihre Stärken und Fähigkeiten bewusst zu machen, denn das ist letztendlich, was psychische Gesundheit ausmacht: in der Lage zu sein, sein Leben erfolgreich zu meistern. Auch wies sie nochmals darauf hin, wie wichtig es sei, in Gesprächen mit Jugendlichen in möglicherweise schwierigen Situationen Nähe zu zeigen, aber gleichzeitig Distanz zu bewahren. Eine Teilnehmerin hob hervor, wie wichtig es sei, dass „wir lernen müssen, zuzuhören“. In einer abschließenden Übung führten sich die Fachkräfte schwierige Situationen aus eigenem Erleben vor Augen und stellten ihre Lösungsansätze vor: Ob direkte Kommunikation, aus der Situation herauszugehen und Personen gegebenenfalls zu trennen oder auch Hilfe von extern anzufordern, waren nur einige der angeführten Herangehensweisen.

Tag 1 von IMECE 2022 fand seinen Abschluss mit einem Projektmarkt der anwesenden Organisationen und Einrichtungen. Hier kam es zu einem regen Austausch zwischen den Fachkräften und weitere Kontakte wurden geknüpft.

Workshops und Kennenlernen von Einrichtungen vor Ort

Tag 2 war zunächst geprägt von Workshops zu verschiedenen Themen. Das Thema Nachhaltigkeit fand sehr hohen Anklang und so verfolgten im Workshop zu ‚Green Youth Work‘ etwa 20 Fachkräfte einen Input von Neringa Tumėnaitė (EU-CoE Youth Partnership’s Pool of European Youth Researchers). Frau Tumėnaitė leitete den Konsultationsprozess und die Erstellung der Nachhaltigkeits-Checkliste zur umweltsensiblen Gestaltung des Jugendsektors. Die nachfolgenden Diskussionen in Kleingruppen machten deutlich, wie groß die Unterschiede zwischen den Organisationen sowohl in Deutschland als auch in der Türkei sind. Einigen steht noch viel Arbeit bevor. Ideen gibt es genug, sei es die Durchsetzung des Prinzips der Mülltrennung an Schulen und in Jugendeinrichtungen oder das Erreichen von Schüler*innen, aber auch Eltern, bei denen das Thema Nachhaltigkeit bis dato noch nicht angekommen ist. Die praktischen Anregungen der Sustainibility Checklist sorgten bei den Teilnehmenden für Begeisterung. Vielen konnten die konkreten Tipps die Angst vor der Bearbeitung des Riesenthemas Nachhaltigkeit nehmen. Eine Teilnehmerin schlug vor, gemeinsam Einrichtungen zusammenzutragen, in denen das Prinzip Nachhaltigkeit eingehalten wird, um diese für Veranstaltungen im deutsch-türkischen Austausch zu nutzen. Insgesamt brachte dieser Workshop viele Aha-Momente auf deutscher und türkischer Seite und Inspiration, um am Thema Nachhaltigkeit weiterzuarbeiten.

Auch in den Workshops zu Jugendbeteiligung und Inklusion & Diversität wurde intensiv gearbeitet. Die Teilnehmenden an ‚Jugendbeteiligung‘ erhielten einen Einblick in Deep Democracy, eine Methode, die in der Arbeit mit jungen Menschen in Entscheidungsfindungsprozessen eingesetzt werden kann. In einem Punkt waren sich alle einig: Jugendbeteiligung ist eines der wichtigsten Themen und Konzepte überhaupt. Da Jugendliche aber auch unterschiedlich unterwegs sind, ist es, wie es ein Teilnehmer formulierte, „die Aufgabe von Erwachsenen sie auf ihrem Weg zu begleiten und sie darin zu unterstützen, ihren eigenen Weg zu finden.“ Die Teilnehmenden schlugen vor, das Thema Demokratie und Beteiligung zu einem der nächsten Schwerpunkte der IMECE-Reihe zu machen.

Ein Rollenspiel im Workshop zu Inklusion & Diversität, in dem es darum ging, eine gemeinsame Reise so zu gestalten, dass alle Beteiligten sich wiederfinden und teilnehmen können, zeigte zunächst auf, dass auch Fachkräfte der Jugendarbeit nicht ganz frei von stereotypen Ansichten und vorurteilsbehaftetem Denken sind. Einig waren sich die Teilnehmenden darüber, dass der Workshop in jedem Fall dazu beigetragen hat, grundlegende Kenntnisse zum Themenfeld aufzufrischen und neue Perspektiven einzunehmen.

Besuche von Einrichtungen in und außerhalb von Antalya am Nachmittag des 2. Veranstaltungstages vermittelten Einsichten in die Arbeit verschiedener Ebenen: lokal, regional, national. Der Aufenthalt auf einer nachhaltigen Farm in der Nähe von Antalya war ein Beispiel dafür, wie ein lokales Community-Projekt versucht, Umweltbewusstsein gleichzeitig praktisch zu leben und mit Bildungsaktivitäten für nachhaltige Entwicklung zu kombinieren. Die NGO OBA Nature Association bietet entsprechend Seminare und Aufenthalte für Kinder und Jugendliche und bringt ihnen unterschiedliche Aspekte von Naturschutz nahe. Daneben ist OBA auch international gut vernetzt und an vielen Erasmus-Projekten beteiligt.

Der field trip in das Muratpaşa Youth Center in Antalya ließ einige Fragen offen, zum Beispiel nach den Jugendlichen, denn diese waren vor Ort nicht anzutreffen oder auch, wie unterschiedliche Strukturen aufgebaut sind. Andererseits brachte sie Begegnungen hervor wie z. B. mit dem türkischen Schwimmsportler Sefa Yurtkölesi, der mit dem TAR-Syndrom geboren wurde und zahlreiche nationale Meisterschaften gewonnen hat, und Yavuz Gürhan, dem Jugend- und Sportdirektor der Provinz Antalya.

In einer Einrichtung des Amts für Familie und Soziale Dienste Antalya, die dem Ministerium für Familie und Soziales unterstellt sind, gewannen die Teilnehmenden einen Einblick in die Betreuung von Kindern und Jugendlichen von 0 bis 18 Jahren – hier ausschließlich Jungen –, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr in ihrem Elternhaus leben können. Der türkische Staat übernimmt im Kontext der stationären Jugendhilfe an dieser Stelle die Verantwortung und bietet den Kinder und Jugendlichen eine Unterkunft, soziale Betreuung und Bildung. Wenn sie nicht studieren und mit 18 Jahren und der Erlangung der Volljährigkeit die Einrichtung verlassen möchten, wird ihnen ein Arbeitsangebot unterbreitet, das sie einmal ablehnen können. Wer dann erneut ablehnt, ist mit der weiteren Arbeitssuche auf sich gestellt. Für junge Menschen, die studieren, verlängert sich der Zeitraum der staatlichen Zuständigkeit bis zum Alter von 25 Jahren. Um zu verhindern, dass Eltern ihre Kinder gezielt in eine Einrichtung dieser Art schicken, um sie dort versorgt zu wissen, prüft der türkische Staat genau den jeweiligen Fall.

Projektideen entwickeln

Der letzte Tag von IMECE 2022 war als Projektwerkstatt angelegt. Die Teilnehmenden erhielten verschiedene kurze Inputs zu unterschiedlichen Fördermöglichkeiten für den deutsch-türkischen Austausch. Im Anschluss daran arbeiteten sie in deutsch-türkischen Teams an konkreten Projektideen. Entstanden sind viele unterschiedliche Projekte, von denen einige unter anderem in der kommenden Antragsrunde in den Leitaktionen 1 und 2 von Erasmus+ Jugend beantragt werden sollen.

Resümee

Wenn es nach den Superkräften ginge, die sich die Teilnehmenden wünschen und nach denen sie zu Beginn der dreitägigen Veranstaltung gefragt wurden, wäre die Welt ab sofort ein besserer Ort: noch sicherer, noch grüner, noch inklusiver. Nun geht es darum, die Ideen und den Spirit, den die Fachkräfte aus IMECE 2022 mitnehmen, weiterzutragen und daran weiterzuarbeiten. Denn wie es zu Beginn der Veranstaltung formuliert wurde: Jede Begegnung bringt etwas Neues und damit auch ein bisschen Veränderung mit sich. See you at IMECE 2024!

İMECE 2022 ist eine Kooperation der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke, IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland sowie der Nationalen Agenturen für Erasmus+ JUGEND und das Europäische Solidaritätskorps in Deutschland (JUGEND für Europa) und der Türkei (Türkische Nationale Agentur).

Quelle: Susanne Klinzing, IJAB, Fotos: Evrim Ergin