Mitreden in der Lokalpolitik: Jugendparlamente im Dialog
Was braucht es, um jungen Menschen in den Kommunen mehr Mitsprache zu ermöglichen? Jugendliche aus Monheim und Ataşehir wollen voneinander lernen.
Nein, fremd sind sich die beiden Städte schon lange nicht mehr. Da ist die „Kunstschule Monheim“, die man gemeinsam in Ataşehir auf die Beine gestellt hat, der Ataşehir-Park in Monheim, das Präsentationsbüro, das die Rheinländer vor kurzem am Bosporus eröffnet haben. Die erste Jugendreise nach Ataşehir, erzählt Engin Altinova, Koordinator Städtepartnerschaften bei der Stadt Monheim, hat er schon vor zehn Jahren unternommen, lange bevor die Kommunen 2015 den Partnerschaftsvertrag unterzeichnet haben. „Gerade der kulturelle Austausch ist sehr eng, wir stemmen jedes Jahr gemeinsame Kunst- und Musikprojekte und organisieren Reisen für Schüler*innen.“
Online-Workshops zu mehr Partizipation
Als Engin der 16jährigen Ceyda vom Modellprojekt „Jugend gestaltet Städtepartnerschaft“ berichtete, war sie deshalb auch schnell zum Mitmachen bereit: „Ich bin für ein Tanzprojekt vor ein paar Jahren mit Engin in Ataşehir gewesen und war damals schon begeistert von dem netten Empfang dort,“ berichtet die Monheimer Schülerin. „Dass wir Jugendlichen aus beiden Städten jetzt gemeinsam Ideen dazu entwickeln, wie wir uns stärker in die Politik an unseren Heimatorten einbringen können, finde ich einfach super.“ Wie genau dieses Plus an Partizipation aussehen kann, hat sie mit vielen Mitstreiter*innen im Sommer und Herbst 2021 in mehreren Online-Workshops, diskutiert.
Neue Schubkraft für die eigenen Pläne
Ein eigenes Jugendparlament in Ataşehir einrichten und dabei von den Erfahrungen aus Monheim lernen, wo es so ein Gremium schon länger gibt: Das ist das erste konkrete Projekt, auf das sich Schüler*innen und Studierenden aus den Partnerstädten in den Workshops mit kommunalen Vertreter*innen geeinigt haben. „Eigentlich wollten wir so ein Parlament hier in Ataşehir schon vor zwei Jahren schaffen, weil man so am besten für eine nachhaltige, dauerhafte Beteiligung junger Menschen sorgen kann.“, sagt die 24-jährige Elif, eine ausgebildete Psychologin, die sich stark für den sozialen Zusammenhalt in ihrer Heimatstadt engagiert. „Das hat sich wegen der Pandemie aber nicht so schnell realisieren lassen. Umso schöner, dass die Kooperation mit Monheim uns jetzt neue Schubkraft dafür gibt“!
Die Stadtoberhäupter einbinden
Was für Räume sind nötig? Wer darf mitmachen? Wie macht man jungen Menschen Lust darauf, sich in städtische Entscheidungsprozesse einzubringen? Was kann man von einer deutschen Kommune auf eine türkische übertragen – und was vielleicht nicht? Die Workshop-Teilnehmer*innen nahmen alle Aspekte ins Visier, die es für die Gründung des Parlaments zu berücksichtigen gilt. Sie entwickelten Ideen für gemeinsame Camps und Festivals, überlegten, wie man mit virtuellen Rathaus-Führungen Interesse wecken kann und wie sich die jeweiligen Stadtoberhäupter am besten einbinden lassen. „Mich hat wirklich überrascht, wie ähnlich wir alle denken“, so Ceyda, der Elif nur zustimmen kann: „Jeder bringt seine eigenen Kompetenzen ein – und am Ende entsteht ein Plan, der uns alle weiterbringt.“
Erstes echtes Treffen im März 2022
Utku Cakmak, der die Leitung des Jugendparlaments in Ataşehir übernehmen wird, hat seine Monheimer Amtskollegin Eva Heggemann vor Kurzem schon besucht, um sich mit ihr auszutauschen. „Aber vor allem sollen jetzt die Jugendlichen selbst besprechen, was sie an gemeinsamen Aktionen organisieren wollen“, meint Partnerschafts-Koordinator Engin. Nach diversen Online-Konferenzen miteinander steht, so die Corona-Pandemie es zulässt, im März das erste echte Treffen der jungen Generation an. Dann sollen die angehenden Jugendparlamentarier*innen aus Ataşehir nach Monheim reisen und in der Praxis erleben, wie ihre Monheimer Kolleg*innen ihre Zusammenarbeit gestalten. Noch überlegt ein bi-nationales Team, wie genau man sich während des Besuchs mit Themen wie Rassismus, Demokratie oder Umwelt auseinandersetzen kann. Bereits geplant sind Workshops und Treffen mit diversen Vertreter*innen aus Stadt und Zivilgesellschaft, Besuche in Schulen und ein Ausflugsprogramm.
Wann der Gegenbesuch in der Türkei stattfindet? Im Herbst 2022, wenn es nach Engin geht. Er will mit möglichst vielen Austausch-interessierten Jugendlichen aus Monheim dabei sein, wenn das Jugendparlament Ataşehir offiziell gegründet wird. So inspirierend und produktiv sie die gemeinsamen Online-Workshops auch fand: „Sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen, wird noch einmal viel besser sein“, sagt Elif. „Dann spielen wir erstmal eine Partie Tavla zusammen – das türkische Brettspiel – und denken uns noch mehr gemeinsame Aktionen aus.“
Das Projekt ist Teil der Projektreihe „New Pathways for German-Turkish Youth Exchange“ der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke.
Die Projektreihe wurde aus Mitteln des Auswärtigen Amtes finanziert.